Für den letzten Tag meiner Island-Fotoreise versprach die Wetterprognose bestes Wetter. Und was soll ich sagen: Sie hat zu 100% gestimmt. Nicht eine einzige Wolke war den ganzen Tag zu sehen und die Prognose für die kommende Nacht sollte auch vielversprechend sein. Also nahm ich mir als Ziel für diesen Tag den Þingvellir-Nationalpark vor. Dieser Nationalpark ist eigentlich DAS Highlight für alle Island-Touristen, da hier der Wasserfall Gullfoss, der berühmte Geysir und die Grabenbruchzone der Kontinentalplatten Europa und Amerika zu finden sind. Ich für meinen Teil wählte diesen Ort in erster Linie, um tagsüber die Seelandschaft des größten Sees auf Island, den Þingvallatn, zu erkunden und nachts natürlich die Polarlichter in einer relativ dunklen Gegend zu beobachten.
Die Fahrt am Vormittag zum Nationalpark, die ungefähr 45 Minuten dauerte, war bereits wie in einem Wintermärchen: Unberührte Schneelandschaft mit schneebedeckten Bergen soweit das Auge reicht und der vom Wetterbericht versprochene blaue Himmel.
Im Nationalpark angekommen, ging es dann erstmal zu Fuß durch die Schneelandschaft und auf die Aussichtsplattform, wo folgendes Foto entstanden ist:
In der Nähe des Parkplatzes, wo ich auch meinen Mietwagen abstellte, entdeckte ich ein kleines Häuschen an dem eine Kamera sowie eine Satellitenschüssel befestigt war. Die Kamera zeigte Richtung Norden, und ich hielt es für eine ‘Aurora-Cam’. Also eine Kamera, die Polarlichtaktivität meldet und gegebenenfalls aufzeichnet. Erst als ich wieder in Deutschland war, fand ich heraus, dass es sich hierbei um eine Webcam handelt, die stets Liveaufnahmen ins Internet streamt. Der Link: http://www.livefromiceland.is/de/webcams/thingvellir/
Die Stunden verstrichen und die Zahl der Menschen wurde immer geringer. Mittlerweile wartete ich im Auto, da ich die nähere Umgebung bereits ausgiebig erkundet hatte und es im Auto die scheinbar einzige bequeme Sitzmöglichkeit im gesamten Nationalpark gab. Zum Sonnenuntergang ging ich aber noch einmal zum Þingvallatn um einen Zeitraffer aufzunehmen. Zeitraffer bedeutet auch immer warten, bis genügend Fotos gemacht wurden. Und dieses Warten ging mit stets kälter werdenden Beinen einher, sodass ich jeden Moment die Aufnahme beenden wollte, was ich zum Glück aber nicht tat. Als die Sonne schließlich untergegangen war, bereitete ich mich auf das Dunkelwerden vor. Das heißt: Alles Notwendige griffbereit legen und die Kamera-Ausrüstung checken um unnötigen Stress zu vermeiden. Spätestens um 22:00 Uhr war es so dunkel, dass ich mich aus dem Auto bewegte um einen Blick in die Sterne zu werfen. Die Milchstraße war sehr gut zu sehen, einzig das Polarlicht vermisste ich noch. Probehalber machte ich eine Aufnahme Richtung Norden und tatsächlich: Die Kamera sah bereits schwaches Polarlicht über dem Nordhorizont, welches mit bloßem Auge nicht zu sehen war.
Optimistisch stieg ich wieder ins Auto um mir einen Schluck warmen Tee zu gönnen. Das Auto-Thermometer zeigte -12°C an.
Nach fast einer weiteren Stunde erfolglosem Warten, näherten sich plötzlich Scheinwerfer von der Landstraße zu meinem Beobachtungsstandort. Dem Fahrverhalten nach zu urteilen ein großes Fahrzeug. Was will hier bitteschön ein LKW nachts mitten in der Pampa dachte ich noch, bis ich erkannt habe, dass es ein Reisebus aus Reykjavik war. Voll beladen mit Touristen. Ein zweiter Bus kam, ein dritter und ein vierter. Und alle stellten sich neben mir. Die Reisegäste strömten in alle erdenkliche Richtungen aus und schauten in den Nachthimmel. Jetzt dämmerte es mir: Das sind die angebotenen Nordlicht-Reisen, bei denen Touristen in dunkle Gebiete gefahren werden, wo natürlich das Erlebnis der Nordlichtbeobachung viel schöner ist. Eins war mir dann auch klar: Wenn die Reisebusse hier schon ankommen, habe ich mir wohl ein gutes Plätzchen ausgesucht…
Wieder verstrich eine Stunde ohne Polarlichter und der Reise-Guide rief alle zusammen um wieder nach Reykjavik zurückzukehren, mit der Begründung, dass man heute einfach kein Glück hatte. Enttäuscht schloss ich mich kurzerhand der Buskolonne an, um ebenfalls nach Hause zu fahren. Schließlich hatte ich noch eine längere Fahrt vor mir und außerdem ging am nächsten Vormittag der Flieger zurück nach Deutschland.
Es war bereits nach Mitternacht, als drei der vier Busse losfuhren. Auch ich fuhr los, mit dem Gedanken, wenigstens den Abend zuvor Polarlichter gesehen zu haben. Trotzdem war es ärgerlich, dass es diese Nacht, trotz klarem Himmel, nix wurde.
Ich war keine 3 Minuten unterwegs, als es plötzlich wie aus dem Nix am Himmel grün leuchtete und das Leuchten anfing sich zu bewegen. Schnell drehte ich um und kehrte zum Parkplatz zurück, wo immer noch der vierte Bus stand und alle Insassen nun um den Bus herum versammelt waren. Nachdem ich das Auto am Rand abgestellt hatte, machte ich eine erste schnelle Testaufnahme. Dafür legte ich die Kamera aufs Autodach; das Stativ war nämlich gut verstaut.
Während die Aufnahme lief, wurde das Polarlicht wieder schwächer und viele stiegen wieder in den Bus. Wenige Augenblicke später wurde es aber richtig hell und schien konstant zu bleiben. Im Bus hielt es keinen mehr auf den Sitzen, alle stiegen wieder aus. Auch ich nahm nun meine komplette Ausrüstung, ging zu den Punkten, die ich mir schon tagsüber ausgesucht hatte und machte Aufnahmen, von denen ich schon immer geträumt hatte. Diese Nacht werde ich wohl nie vergessen. Vor allem hat es mich mal wieder gelehrt, nie aufzugeben, auch nicht bei der Polarlicht-Jagd.
Aber bei all den Bildern; das Live-Erlebnis ist doch immer noch das schönste: Dort in der Kälte zu stehen, und geisterhafte Lichter am Himmel beim Tanzen zuzuschauen. Und übrigens: Wenn es erst einmal am Himmel tanzt…die Kälte wird dabei automatisch zur Nebensache 😉
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